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Gemeinsam zum nächsten Ziel
working out loud Diese Lernmethode verspricht Zielerreichung in nur 12 Wochen. Den Zielen sind dabei kaum Grenzen gesetzt. working@office sprach mit Lisa-Katherina Schutter, (zertifizierter) WOL Mentor (by Kluge und Konsorten), darüber, wie die Methode funktioniert und wie insbesondere Office-Professionals sie nutzen können.
w@o: Was ist Working Out Loud?
Lisa-Katherina Schutter: Working Out Loud oder kurz WOL ist eine Lernmethode, die von John Stepper entwickelt wurde, um sich in einem Peer Group Setup von 5 Personen weiterzuentwickeln und in 12 Wochen gemeinsam selbst gesteckte Ziele zu erreichen. Jede Woche wird von Circle Guides begleitet, die aus ungefähr 32 Reflexionsübungen bestehen. Jede Woche erarbeitet sich die Gruppe durch Übungen Ergebnisse und tauscht sich dann über diese aus. Das Ziel von WOL ist, dass Menschen motiviert und befähigt werden, Wissen und Kompetenzen proaktiv zu teilen, um Wissenssilos abzubauen. Dieser menschenzentrierte und wertschätzende Ansatz gefällt mir sehr.
w@o: Wie entstehen Wissenssilos denn überhaupt?
Lisa-Katherina Schutter: Mit Silos meine ich Abteilungsgrenzen. Wir sind alle Menschen und machen Fehler, aber der Kollege aus der anderen Abteilung muss ja den gleichen Fehler nicht noch einmal machen. Die Frage lautet also: Wie kann ich innerhalb einer Organisation operativ und strukturiert Wissen teilen, mich vernetzen und nicht mehr in Abteilungen denken?
w@o: Was sind die 5 WOL-Prinzipien?
Lisa-Katherina Schutter: Die 5 Prinzipien bedingen sich gegenseitig: Das Prinzip der Großzügigkeit (Generosity) meint, dass ich mein Wissen proaktiv teile. Das zweite Prinzip, Visible Work, soll meine Arbeit und mein Wissen sichtbar machen und Wissenszufälle generieren. Man nennt das Serendipity. Das dritte Prinzip, Purposeful discovery, setzt zielgerichtetes Verhalten voraus. Wenn ich mein Netzwerk aufbaue und pflege, sollte ich mich nach diesem Prinzip immer fragen: Wer kann mir bei Themen helfen und wem kann ich bei seinem beziehungsweise ihrem Thema helfen? Prinzip vier nennt sich Growth Mindset. Ich brauche eine lernende Haltung, ich muss von dem Standpunkt know-it-all zu learn-it-all kommen. Ich kann es heute zwar noch nicht, aber ich traue es mir zu. Das fünfte Prinzip nennt sich Relationship: Beziehungen schaden nur denen, die sie nicht haben. Eine Beziehung beruht aber immer auf Gegenseitigkeit, also auf der Pflege von Beziehungen und strukturiertem Netzwerken.
w@o: Wie fange ich konkret mit Working Out Loud an?
Lisa-Katherina Schutter: Auf der WOL-Webseite www.workingoutloud.com kann man sich registrieren und bekommt pro Woche eine E-Mail mit den Circle Guides. Darüber kann man sich einen Circle suchen. Seit Anfang 2022 gibt es eine eigene WOL App, die man sich idealerweise gleich aufs Handy zieht, weiter ist WOL auf Mighty Networks vertreten.
w@o: Ist es vorteilhafter, sich innerhalb eines Unternehmens einen Circle zu suchen oder außerhalb, mit unbekannten Menschen?
Lisa-Katherina Schutter: Beides hat Vorteile. In einem Unternehmen kann man sich noch spezifischer austauschen, weil man die Prozesse kennt. Firmenübergreifend kann man sich anders inspirieren lassen. Gerade wenn Assistentinnen zusammen circlen, ist der Austausch sehr gewinnbringend. Es kommt natürlich auch auf die Ziele an, die ich mir zu Beginn selbst setze.
w@o: Welche Art von Zielen setzt man sich am besten?
Lisa-Katherina Schutter: Als WOL-Mentor würde ich sagen, die Ziele sollten smart, also messbar, sein und in 12 Wochen umsetzbar. Grundsätzlich können es aber Ziele aus jedem Lebensbereich sein, beruflich oder privat. Das Vertrauen, das man beim Zirkeln zu fremden Personen aufbaut, ist sehr groß. Das kann man sich tatsächlich gar nicht vorstellen, wenn man noch keinen Circle durchlaufen hat, das muss man selbst erleben. Die Spiegelung, die man erfährt, ist immens und teilweise kann es auch tatsächlich sein, dass man innerhalb eines Circles erkennt, dass man sich gar nicht das richtige Ziel gesetzt hat und dass man eigentlich etwas anderes verfolgt.
w@o: Wie viel Zeit muss ich in diesen 12 Wochen investieren?
Lisa-Katherina Schutter: Ich würde sagen zwei bis zweieinhalb Stunden pro Woche. Eigentlich ist in den Grundsätzen von Working Out Lout beschrieben, dass der Zeitaufwand bei einer Stunde pro Woche liegt, das ist aber die reine Circle-Zeit, also der Austausch mit der Gruppe. Aus meiner Sicht sollte man eher mit zwei Stunden planen, sofern man die Aufgaben, denen man sich pro Woche stellt, vorbereitet und außerhalb der eigentlichen Circle-Zeit bearbeitet. Das empfinde ich als sehr sinnvoll, weil man sich innerhalb des Austausches dann den reinen Ergebnissen widmen kann. Wenn man nach dem Circle noch 30 Minuten zur Nachbereitung einplant, sind wir schon schnell bei zweieinhalb Stunden.
w@o: Was hat Working Out Loud bei dir persönlich bewirkt?
Lisa-Katherina Schutter: Unglaublich viel! Es hat meine Haltung verändert. Beruflich, würde ich sagen, vor allem zielgerichtetes Überlegen: Wie kann ich Wissen, Ergebnisse, Erkenntnisse in der Organisation so zur Verfügung stellen, dass es jeder versteht. Wie mache ich aus Wissen konsumierbare Einheiten, Learning-Bites, damit es die Führungskraft genauso versteht wie ein Kollege einer Fachabteilung? Ich stelle mir viel bewusster die Fragen: Welches Wissen ist wichtig zu teilen und wie kann ich lernen, es in meinen Alltag zu integrieren? Wie kann ich unterstützen und gleichzeitig gezielt Menschen finden, die mir bei meinen Vorhaben helfen? Working Out Loud trainiert uns alle gezielt darauf, sofort herauszufinden: Was sind die Gemeinsamkeiten von mir und meinem Gegenüber und dann zu sagen: „Ich möchte mich gerne mit Dir vernetzen!“ Zudem hat es die Art und Weise, wie ich kommuniziere, noch einmal geschärft. Heute frage ich mich immer bewusst, wie ich das Thema Wertschätzung kontinuierlich in den Alltag integrieren kann.
w@o: Was würdest du jemandem raten, der Working Out Loud im Unternehmen ausrollen will? Wie geht man am besten vor?
Lisa-Katherina Schutter: Das kommt sehr stark auf die Unternehmenskultur an. Das Wichtigste ist wahrscheinlich, sich Gleichgesinnte und Verbündete zu suchen. Menschen, die die Methode und das Thema transparentes Wissen und Zielerreichung ebenso begeistert wie mich selbst. Vielleicht würde ich diese Menschen dazu ermutigen, ihre eigenen Erfahrungen damit zu machen, und die Idee zunächst „unter der Graswurzel‘“ gedeihen lassen. Wenn ich Menschen gefunden habe, die das Thema begeistert hat, würde ich auf die Personalabteilung bzw. HR zugehen und das Management mit einbeziehen. Wenn man schon konkrete Ergebnisse vorweisen kann, was WOL bewirken kann oder bewirkt hat, hat man die beste Diskussionsgrundlage. Ich habe es in meinem Setting bei meinem ehemaligen Arbeitgeber erlebt, dass jeder Mitarbeiter sich innerhalb des Unternehmens vernetzen durfte, quer durch die Bank und durch die Divisionen, also auch international. Das war intrinsisch und hat sehr gut funktioniert.
w@o: Wie überzeugt man Skeptiker?
Lisa-Katherina Schutter: Ich weiß gar nicht, ob die Methode Skeptiker hat. Ich glaube eher, dass Menschen denken, sie finden keine Zeit dafür. Hier wäre mein Ansatz: Was hindert dich daran, es einfach mal auszuprobieren – und von meinen persönlichen Erfahrungen zu berichten. Ich glaube an die 20/60/20-Regel: Wenn man eine Gruppe von Menschen davon überzeugen will, eine neue Erfahrung zu machen, gibt es immer 20 Prozent, die – sofern sie überzeugt sind – sofort losrennen und machen. Das breite Mittelfeld, die 60 Prozent, brauchen vielleicht erste eigene Erfahrungen, um überzeugt zu sein, dann läuft auch diese Gruppe los. Und am Ende gibt es fast immer eine Gruppe von Menschen, die übrigen 20 Prozent, die man nicht überzeugt und die kein Interesse da-ran haben, diese neuen Erfahrungen zu machen. Mein Rat: Konzentriert euch auf die 80 Prozent, die diese Erfahrungen machen wollen. Mehr braucht ihr nicht.
w@o: Abgesehen von den Routinen innerhalb der Circles: Gibt es noch etwas, was ich im Unternehmen einführen könnte, um Working Out Loud zu leben?
Lisa-Katherina Schutter: Ich glaube, wenn der Circle an sich lebt, wird man sehr schnell Ergebnisse sehen. Natürlich gibt es auch darüber hinaus Formate, in denen man gemeinsame Learnings teilen kann: Ich persönlich bin ein großer Fan von PeerGroup Coaching und Lernformaten wie Fuckup Nights, in denen Menschen das Wissen über Fehler, die sie gemacht haben, teilen. Für die Zielgruppe Assistenz bin ich absolut überzeugt, dass Working Out Loud eine Methode ist, die uns extrem nützlich sein kann, da ich innerhalb von 12 Wochen sehr agil Ziele setzen und erreichen kann. Gleichzeitig vernetze ich mich mit anderen und erweitere mein Netzwerk. Ich finde Gleichgesinnte und Menschen, die möglicherweise vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie ich.
w@o: Lebenslanges Lernen ist ein Thema, das dich grundsätzlich begeistert. Weshalb?
Lisa-Katherina Schutter: Ich habe sehr früh festgestellt, dass sich das Berufsbild der Assistenz sehr stark und sehr schnell wandelt. Während meines beruflichen Einstiegs habe ich noch mit Unterschriftenmappen gearbeitet und habe Berge an Papier ausgedruckt. Erst außerhalb veränderte sich das Setting: Ich war nicht mehr so unter Druck und konnte lernen, was mich wirklich interessiert. Heute habe ich eine ganz andere Haltung zum Lernen. Dabei hatte ich aber auch immer das große Glück, gleich zu Beginn meiner beruflichen Karriere mit jemandem zusammenzuarbeiten, der mich an das Thema Lean Management herangeführt hat. Darauf wollte ich mich spezialisieren – und dann kam eines zum anderen: Microsoft 365 wurde im Unternehmen ausgerollt und ich durfte als sogenannter Change Agent eine zentrale Rolle dabei spielen. Aus meiner Sicht ist es für die Funktion der Assistenz oftmals ein Schlüssel zu erkennen: Wo ist in meinem Unternehmen Angebot und Nachfrage bei Projekten und Themen. Das heißt: Wo kann ich mich besonders gut einbringen und welchen Nutzen hätte das für das Unternehmen. Bei mir ist es so, dass ich meine Stärken sehr früh erkannt habe: Ich kann gut trainieren und ich kann Menschen befähigen, etwas zu lernen. Also habe ich gezielt geschaut, wie ich diese Stärke für das Unternehmen einsetzen kann. Ich weiß, dass es da draußen so viele Office-Professionals gibt, in denen so viel steckt und schlummert, aber sie können es – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht so zielgerichtet einsetzen, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Der Zugang zu ihren Ressourcen ist noch nicht da. Wer diesen Schlüssel findet, der wird im Unternehmen immer gebraucht.
w@o: Vielen Dank für den Einblick in Working Out Loud!