Kolumne

© GEIGER Images

„Vom Vorteil morgens
um fünf wach zu werden …

Heute schon Glück gehabt?

Seit geraumer Zeit gibt es immer mehr Tage, an denen ich mir Sorgen um das Glück mache. Dann kommt es mir vor, als würde die gesamte Glücksenergie dieses Planeten abgesaugt von einigen wenigen Leuten, die es nicht verdient haben – als würden Klimakrise, Krieg, Inflation und Corona noch nicht reichen. Gut, vor dem Rosengarten-Versprechen oder der Ponyhof-Theorie wurden wir ja immer schon gewarnt, aber muss es gleich so knüppeldick kommen? Ich bekomme ja schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich auf die Frage „Wie geht es Dir?“ ein spontanes „Gut“ antworte. „Also relativ zur allgemeinen Lage“, füge ich dann meistens hinzu. Typisch deutsch. Ich bin eine Grüblerin und nehme mir immer gern die ganz großen Krisen vor, betrachte alles in allem und kann mich davon nur kurzzeitig mit netten Menschen, Schokolade und konzentriertem Tun, dem sogenannten „Flow“, selbst ablenken.

Was ist überhaupt die Definition von „Glück“? Obwohl wir doch sonst eine sehr präzise Sprache haben, finde ich das deutsche Wort für das höchste der Gefühle etwas unübersichtlich. Die Angelsachsen bieten da mehr Auswahl: Hier gibt es luck, pleasure und happiness. Also erst einmal den Glücksfall im Sinne des Zufalls. Der ist aber oft keine dauerhafte Quelle, Lottogewinner sind nachgewiesenermaßen nach kurzer Zeit nicht besser drauf als vor dem Gewinn. Natürlich lässt es sich besser im Taxi weinen als im Bus. Aber das war es dann auch schon. Pleasure ist der Genuss des Moments. Wer nicht genießt, wird ungenießbar. Aber wenn etwas gut ist, ist mehr davon nicht besser. Genuss wird durch Intensität gesteigert, nicht durch Menge. Ein Glas Rotwein am Abend ist ein Genuss, ein Tetra Pak nicht mehr. Ein Wellness-Urlaub ist toll, aber nach vier Tagen Massage kann man kein Öl mehr sehen. Sex ist schön, aber 24 Stunden am Tag? Happiness als anhaltende Zufriedenheit kommt dagegen nicht im Moment, sondern eher hinterher. Wir kennen das: Das Schöne am Sport ist die Belohnung danach. Der Kaiserschmarrn schmeckt auf der Hütte besser als im Tal. Happiness scheint also eine anstrengende Angelegenheit zu sein und wird vorwiegend erzeugt durch Botenstoffe, Endorphine & Co., die geschüttelt und gerührt durchs Oberstübchen schießen.

Noch dazu halten wir absurderweise oft alle anderen für glücklicher als uns. Wir lassen keine Benchmark aus und tappen in die Vergleichs-Falle. Der Vergleich ist die Quelle der Unzufriedenheit, weil wir uns natürlich niemals mit den Unglücklichen vergleichen. Dieser Automatismus lässt unser persönliches Glücksbarometer immer wieder fallen. Dabei ist die Sicht auf diejenigen, denen es nicht so gut geht, doch logischer. Manchmal muss Glück sogar vorbeigehen, um Platz zu schaffen für neues Glück. Gäbe es keine Dunkelheit, könnten wir die Sterne nicht sehen, hat mal ein schlauer Mensch gesagt – kitschig, aber wahr.

Glück scheint eine Haltungsfrage zu sein – Augen auf, Chancen sehen, sich auf Positives konzentrieren. Ein Freund von mir wird momentan jeden Morgen um fünf Uhr wach, sehr nervig – bis er herausfand, dass es an der Nachtigall liegt, die dann in einem Baum vor seinem Fenster sitzt. Nun konzentriert er sich auf deren Gesang. Den Glanz in seinen Augen, als er mir davon erzählte, den könnte man wohl als Glücks-Essenz bezeichnen. Ich hätte am liebsten eine Kanüle darunter gehalten. Tja, das Glück im Kleinen ist wohl die Vorbedingung für das Glück im Großen – es macht aktiv und produktiv und ändert die Welt. Ein Schmetterlings-Flügelschlag hat Einfluss auf das ganze System. Die Chaostheorie lässt grüßen, was das Ganze für mich sehr sympathisch und erfolgsversprechend macht. Also worauf warten wir?

Katharina Münk alias Petra Balzer ist Personal Coach für Fach- und Führungskräfte sowie Autorin bekannter Sachbücher und Romane.