Freiheit, die motiviert
ANDREA BROSS Executive Assistant bei Microsoft, das klingt spannend – und das ist es auch. Die Deutschlandzentrale des Software-Riesen gilt als eines der modernsten Büros hierzulande, nicht nur in puncto Architektur. Auch die Arbeitskultur erlebt die Assistentin hier völlig neu.
Was würde Checker Tobi wohl fragen, wenn er in der Microsoft-Zentrale in München-Schwabing zu Gast wäre? Vielleicht würde er als erstes die langgestreckte Coffee Bar in der riesigen Eingangshalle ansteuern. Und dann mit einem Schoko-Muffin in der einen und einem Hafermilch-Shake in der anderen Hand wissen wollen, ob hier überhaupt jemand arbeitet, bei so vielen tollen Angeboten.
Andrea Bross gefällt die Idee mit dem Checker Tobi auf Anhieb. Natürlich kennt sie den Star der Kinderwissenssendung, die abwechselnd im Ersten und auf KiKa läuft, schließlich hat sie selber zwei Söhne im passenden Alter. „Meine beiden Jungs wären sofort dabei“, lacht sie, „ich kann gern bei uns im Haus einen Kontakt herstellen für eine Sendung.“
Und da sind wir auch schon mittendrin im Thema. Netzwerken, die Familie im Job mitdenken, Ideen aufgreifen – für Andrea Bross ist das Programm hier bei Microsoft Deutschland. Die 45-Jährige arbeitet seit Juli 2019 in der Münchner Zentrale des Software-Riesen, als Executive Assistant. In dieser Funktion hat sie drei Jahre lang für Andreas Kleinknecht, Mitglied der Geschäftsleitung, gearbeitet, der das Geschäft mit öffentlichen Auftraggebern leitete, das sind zum Beispiel Schulen und Universitäten, Krankenhäuser, Gemeinden, bis hin zur Bundesregierung.
Partnerschaftlich den JOB-alltag gestalten
Mit ihrem Chef wäre eine klassische Chef-Sekretärinnen-Beziehung gar nicht denkbar, lacht Andrea Bross, „das wäre ihm eher unangenehm“. Die sehr „vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ sei eher ein Co-Management, mit Aufgaben, die sie in Absprache oder eben selbstständig aufgreift. Und davon gab es in den letzten drei Jahren wirklich genug, sagt sie mit einem kleinen Seufzer: „Digitalisierung, und zwar möglichst schnell, das war bei unserer Klientel das Thema schlechthin!“ Es will einfach immer irgend jemand etwas von ihm und dementsprechend auch von ihr. „Allein die vielen Termine, ob online oder offline, von Montag bis Freitag manage ich ihm komplett.“ Das klingt dann doch wieder nach klassischer Assistenz, und für Andrea Bross ist das kein Widerspruch zu ihrem Verständnis des Berufs. Längst gehört es für sie zusammen, eigene Aufgaben und Projekte zu übernehmen und zugleich den Berufsalltag einer Führungskraft zu organisieren: „Ich sage immer, ich bin die rechte Gehirnhälfte meines Chefs.“
Dass das auch aus der Ferne funktioniert, war bei Microsoft Deutschland schon vor der erzwungenen Homeoffice-Phase keine Frage. Kaum verwunderlich bei einem Unternehmen, das das heute allgegenwärtige Betriebssystem Windows in die (Business-)Welt brachte und seit fast fünfzig Jahren mit IT, Vernetzung und Online-Tools sein Geld verdient. Dennoch mache es einen Unterschied, ob das Homeoffice eine Option oder eine erzwungene und ausschließliche Alternative zum Corporate Office ist, findet die Assistentin. „So gar nicht mehr ins Büro zu gehen, das war schon seltsam.“
Schnell vertraut mit allen Tools
Als die strengen Lockdowns überwunden waren, konnte sie immerhin über eine Book-your-seat-App immer wieder mal einen Platz im Office ergattern, und seit Mai dieses Jahres nimmt alles wieder an Fahrt auf. „Es ist wirklich super schön im Büro. Man sieht sich wieder, auch die vielen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Abteilungen, man trifft sich in der Coffee-Bar oder in der Lounge, um zwischendurch Energie zu tanken.“ Das klingt alles ziemlich locker, und dass im dritten Stock ein großes Kinderzimmer auf die Kids wartet, die auch mal mit ins Office dürfen, würde Checker Tobi wahrscheinlich komplett begeistern. Also fragen wir doch mal ganz naiv, als wären wir für den Kinderkanal zu Gast: „Und was ist mit Arbeit?“
Andrea Bross überlegt kurz, bevor sie antwortet, dann sagt sie mit einer Mischung aus Ernst und Freude: „Ich habe in den letzten drei Jahren so viel gelernt, so hart gearbeitet und mich auch persönlich weiterentwickelt wie lange nicht mehr.“ Das klingt spannend, also weitergefragt, was meint sie damit genau? Schließlich hat die gebürtige Münchnerin mehr als 20 Jahre Assistenzerfahrung auf C-Level, bei großen Unternehmen wie Insight EMEA, Paychex Deutschland, Veritas Technologies oder, zuletzt, bei LinkedIn, das seit 2016 ein MS-Tochterunternehmen ist. Überall gab es besondere Herausforderungen und vieles zu lernen. Doch als die Anfrage von Microsoft kam, ob sie in die Zentrale wechseln wolle, war sie zwar begeistert, aber auch ein wenig skeptisch, wie sie sich in diesem „ausschließlich technik-affinen Umfeld“ wohl behaupten würde. Schneller als gedacht kam sie bestens zurecht in der innovativen Tools-Welt. „Gefühlt kommt ja beinahe jeden Tag eine neue App“, lacht sie, „da hilft nur Neugierde, Reinspringen, Ausprobieren!“ Die größere Herausforderung war womöglich Corona, denn als Mutter zweier Söhne hieß das oft genug auch „Homeschooling“. In zwei wesentlichen Lebensbereichen – Familie und Job – waren maximaler Einsatz und maximale Flexibilität gefragt. Das hat ihren Mann und sie oft an ihre Grenzen gebracht. Geklappt habe es, weil Microsoft ein familienfreundlicher Arbeitgeber sei, sagt Andrea Bross, die sich auch in der Eltern-Community engagiert. „Ein flexibler Work-Life-Flow bedeutet hier, dass wir selber entscheiden, wann und wo wir arbeiten.“
Andrea Bross kennt sich in der MS-Tools-Welt bestens aus.
Fotos: Simone Naumann
Wahlfreiheit als Wohlfühl-Kriterium
Ob es für sie ein Homeoffice- oder ein Corporate-Office-Tag wird, entscheidet sie danach, wo ihre Anwesenheit am dringendsten gebraucht wird, in der Familie oder im Office. Denn selbstverständlich gebe es auch im Büro immer Termine, die es erfordern, vor Ort zu sein. Ihr Chef ist den größten Teil seiner Arbeitszeit in Meetings und Gesprächen unterwegs, dann läuft die Kommunikation mobil oder per Teams. „Im Endeffekt zählt der Output, die Leistung. Wo die stattfindet, spielt keine Rolle.“ Sie ist glücklich über die Wahlfreiheit: „War ich im Büro, gehe ich am Abend gut gelaunt nach Hause. Arbeite ich im Homeoffice, bin ich froh, dass ich zu Hause arbeiten kann. Hybrid ist einfach unglaublich entspannt.“
Dass der Alltag eines Managers übervoll ist mit Anfragen, Projektberichten, Team- und Kunden-Besprechungen, Terminvereinbarungen und vielem mehr ist naheliegend. Dass seine Assistentin daneben noch Zeit findet für verschiedene andere Projekte liegt zum einen daran, dass es Andrea Bross noch nie genug war, einfach nur ihre Aufgaben zu erledigen. „Ich gucke gern über den Tellerrand“, sagt sie, „ich kann gut organisieren, ich kann Prioritäten setzen. Und ich habe ein Faible für Kommunikation und Wissenstransfer“. An den „Learning Days“, die Microsoft seinen Mitarbeitenden alle sechs Wochen bietet, entscheidet sie sich oft für Softkill-Trainings: „Das ist eine tolle Investition in dich selbst.“ Gemeinsam mit einer Kollegin und neuerdings auch mit Unterstützung der Event-Abteilung organisiert sie zweimal jährlich den „Microsoft Assistant Summit“ und die „Microsoft Virtual Assistant Week“, an denen Assistentinnen und Assistenten in der DACH Region kostenlos teilnehmen können (Link zur letzten Veranstaltung: https://aka.ms/MVAW). ;
Bonus-System für besonderes Engagement
„Ich mache eigentlich jeden Tag etwas, das nicht zu meiner Job-Description gehört. Die größeren Projekte halte ich zunächst in meinem OneNote fest, und vor dem nächsten Feedback-Gespräch mit meinem Chef übertrage ich es in meinen Connect-Report, der die Grundlage für das Gespräch ist.“ Ein Bonussystem sorgt dafür, dass Engagement sich lohnt, und auch die berufliche Weiterentwicklung profitiert davon. Für die 45-Jährige ergab sich auf diese Weise ein Wechsel von ihrer bisherigen Position im Bereich Public Sector zum Marketing & Operations Lead Germany, Luca Callegari. „Da Luca aus Italien zu uns gestoßen ist und gerade noch dabei ist, Deutsch zu lernen, läuft alles nur auf Englisch“, freut sich die gelernte Dolmetscherin und Übersetzerin, die zudem ein BWL-Abendstudium absolviert hat.
Apropos Selbstbewusstsein: Davon wünscht sie vielen Kolleginnen und Kollegen gern öfter etwas mehr. „Wir sind Influencer in jede Richtung. Wir sind Netzwerker*innen, wir haben bei Technologien meist die Nase vorn. Mitdenken, am Ball bleiben, Extra-Projekte übernehmen, auf diese Weise bleiben wir relevant.“
Freizeit und Familie ist „Me-time“
Und was steht auf dem Programm, wenn nicht gerade Home- oder Corporate Office angesagt sind? Dreimal die Woche Schülerlotsen-Dienst, zweimal die Woche mittags eine Runde Training, abends gern noch mal eine Viertelstunde um den Block und am Wochenende raus in die Natur mit Mann und den Jungs. Dass sie genau das, die Bedürfnisse von Familie und ihren Wunsch nach einem erfüllenden Job, bei ihrem Arbeitgeber unter einen Hut bekommt, ist für sie das größte Plus von Hybrid Work. „Und der Wandel in unserem Beruf natürlich: keine Papierberge mehr, Ungebundenheit von Ort und Zeit, neue Verantwortlichkeiten, Projekt-Vielfalt.“ Deshalb sei eigentlich auch eine neue Job-Bezeichnung überfällig, meint die top qualifizierte 45-Jährige, „ich mag ‚Executive Assistant‘ gar nicht so gern, sondern spreche lieber von unserem Job als „Executive Business Partner.“ Und was meint Checker Tobi dazu? Daumen hoch!