Daheim arbeiten hat viele Auswirkungen, auch auf das berufliche Fortkommen. Wer nicht auf der Strecke bleiben will, muss die eigenen Leistungen gekonnt kommunizieren.
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Sichtbar erfolgreicher
Chancen Für viele scheint das Homeoffice eine Art Sehnsuchtsort zu sein. Doch was macht es eigentlich mit der Karriere, wenn man sich in der Firma kaum noch blicken lässt? Erfahrungen und Tipps von zwei Expertinnen, damit das Arbeiten von Zuhause keine Sackgasse für die berufliche Entwicklung wird.
Zuhause, im Firmenbüro, im Coworking Space, im Café: Wo gearbeitet wird, ist in der Tat nicht unerheblich, und das nicht nur aus juristischer Sicht. Das Homeoffice hat viele Aspekte, es wirft Fragen auf, es polarisiert. Dabei ist das Arbeiten von Zuhause keine junge Entwicklung. Seit Jahrzehnten schon stottert dieser Trend so vor sich hin, mal mehr, mal weniger ernsthaft umgesetzt und vorangetrieben. Im Jahr 2019 arbeiteten knapp zehn Prozent aller abhängig Beschäftigten in Deutschland zumindest gelegentlich von Zuhause aus, zu Hochzeiten der pandemiebedingt verordneten Kontaktbeschränkungen (u. a. Homeofficepflicht) lag die Quote bei rund 49 Prozent (Februar 2021)*. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln könnten über die Hälfte aller abhängig Beschäftigten theoretisch von Zuhause arbeiten, weil ihre Tätigkeiten das zulassen. Für die Bürobeschäftigten gibt das IW diesen Anteil sogar mit 85 Prozent an.
Doch hat das Arbeiten von Zuhause wirklich nur gute Seiten oder gibt es auch Risiken? Schließlich ist einer der wesentlichen Unterschiede die Distanz – zu den Kolleginnen und Kollegen, zu den Vorgesetzten, zu den vielen informellen Zusammenkünften, die nicht selten (mit-)entscheiden über personelle Weichenstellungen. Es gibt durchaus Stimmen, die vor einem allzu unüberlegten Rückzug ins Homeoffice warnen. So verweist der HR-Experte Stefan Scheller in seinem Blog persoblogger.de (siehe auch Buchtipp) auf noch immer tiefsitzende Vorurteile bei etlichen Führungskräften, die das Arbeiten daheim eher mit Begriffen wie „Bequemlichkeit“ und „Unproduktivität“ in Verbindung bringen würden. Naheliegend ist sicher auch sein Hinweis auf das „unter dem Radar fliegen“ bei der Arbeit im Homeoffice: „Selbst wenn Sie objektiv betrachtet eine herausragend gute Leistung erbringen, heißt das noch lange nicht, dass diese auch bei den entscheidenden Personen ankommt, mithin gesehen und gewürdigt wird.
Doppeltes Risiko für Frauen
Dass besonders Frauen von negativen Auswirkungen auf die eigene berufliche Entwicklung betroffen sein können, betont nicht nur der HR-Experte und weist auf die noch immer häufige Doppelbelastung hin. Nach wie vor sind es meist die Frauen, die den Großteil der Care-Arbeit übernehmen und das besonders, wenn sie im Homeoffice arbeiten. Auch die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) kennt das Phänomen natürlich und spricht vom „sogenannten Flexibilitätsstigma“. Damit meint sie die Annahme in vielen Unternehmen, dass Frauen, die daheim arbeiten, wegen zugleich zu erledigender Haus- und Sorgearbeit weniger produktiv seien. Für die Sozialwissenschaftlerin jedenfalls überwiegt die Gefahr, dass Leistungen von Frauen nicht ausreichend gesehen werden und sie somit bei Beförderungen auf der Strecke bleiben.
Für die Soziologin Jutta Allmendinger, Präsidentin des WZB, scheint die Sachlage eindeutig, wie sie in einem Interview der Süddeutschen Zeitung erklärte: „Frauen können in Abwesenheit vom Arbeitsplatz ihre Leistungen oft weniger zeigen, häufig verlieren sie auch den persönlichen Anschluss an ihre Kolleginnen und Kollegen.“ Auch auf die Bedeutung von Netzwerken für die Karriere weist sie hin: „Netzwerke lassen sich leichter beim Mittagstisch in der Kantine oder in den Pausen bei Konferenzen knüpfen als auf digitalen Plattformen“, und auch diese Gelegenheiten würden Frauen verloren gehen, wenn sie physisch abwesend seien.
Hybrid und situationsabhängig
Was also bleibt von den Überlegungen Pro und Contra Homeoffice? Persoblogger Stefan Scheller kommt zu dem Schluss, dass das „Homeoffice per se“ weder positiv noch negativ zu bewerten sei: „Es ist entweder gut oder weniger gut passend für die jeweilige Arbeitssituation.“ Soziologin Allmendinger mahnt einmal mehr Geschlechtergerechtigkeit an (längere Elternzeit und mehr Teilzeit für Väter) und eine Abkehr von der auch politisch motivierten Vorgabe, „dass alle so viel wie möglich arbeiten, um […] das Arbeitsvolumen unserer Volkswirtschaft zu erhalten. Ich bezweifle sehr, dass das der richtige Weg ist.“ Ihre Kollegin, die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp, rät ebenfalls dazu, erst einmal die Basis zu schaffen für eine gerechtere Aufteilung des Arbeitszeitvolumens. So könnten sich beide Elternteile beispielsweise auf die gleiche Stundenanzahl einigen, etwa 30 Stunden pro Woche. Ob die dann komplett oder anteilig im Homeoffice und/oder im Firmenbüro erbracht werden, wäre danach wohl erst der zweite Schritt und nicht zuletzt mit dem Arbeitgeber beziehungsweise dem Vorgesetzten und dem Team abzustimmen. Das Thema Sichtbarkeit jedenfalls wäre dann auch gleichmäßiger verteilt und für beide eine Aufgabe, die Stefan Scheller so beschreibt:„Beschäftigte müssen neben dem eigentlichen Arbeiten und Vollbringen von Leistungen selbige zusätzlich auch bei den für die Karriere wesentlichen Personen in die Sichtbarkeit bringen und regelrecht vermarkten.“ Sein Fazit: „Die Zukunft der Arbeit ist hybrid – Karriere auch.“
Für Sichtbarkeit entscheiden
Die gelernte Diplom-Kauffrau Andrea Huinink hat 14 Jahre im Personalbereich einer großen Bank Berufserfahrung gesammelt, bevor sie sich 2016 als Karriereberaterin, Coach und Recruiterin selbstständig machte (www.karrierecoach-braunschweig.de). Sie beantwortet die Frage: Wie lässt sich Remote Work so gestalten, dass die eigene Leistung von den entscheidenden Personen im Unternehmen wahrgenommen wird?
Selbstvermarktung. Wer als professionelle Mitarbeiterin oder Mitarbeiter wahrgenommen werden will, braucht Sichtbarkeit und regelmäßigen Austausch. Dazu zählt selbstverständlich, den Chef oder die Chefin regelmäßig über die eigenen Arbeitsergebnisse zu informieren. Besprechen Sie gemeinsam, wie die Infos am besten vermittelt werden sollen. Klären Sie: ‚Mir wäre wichtig, dass Sie meine Arbeitsergebnisse auch mitbekommen. Wie wollen wir das machen: Wollen wir einmal die Woche telefonieren, chatten, uns treffen, per Mail kommunizieren?‘ Wenn die Entscheidung Ihnen überlassen wird, überlegen Sie genau, was am besten beim Gegenüber ankommt und gelesen wird. Wenn Sie regelmäßig per E-Mail berichten, achten Sie unbedingt auf aussagekräftige Betreffzeilen. Darüber vermitteln Sie oft schon in aller Kürze und sehr professionell, was Sie erreicht haben oder was Sie thematisieren möchten.
Technische Ausstattung. Eine gute Infrastruktur im Homeoffice ist schon mal die halbe Miete, wenn es darum geht, professionell wahrgenommen zu werden. Eine gute Kamera und gutes Licht sind einfach zu beschaffen. Wenn ich gut ausgeleuchtet bin, kann der andere meine Mimik viel besser erkennen, und wir sind nun einmal darauf angewiesen, zu erkennen, was im Gesicht des anderen passiert. Mit etwas Make-up wirkt man nicht so blass, und auch die Farbe der Kleidung spielt eine Rolle. Idealerweise probt man mit einer Kollegin oder einem Kollegen, wie man per Video am besten rüberkommt und gibt sich gegenseitig ein Feedback.
Das Umfeld. Natürlich sollte auch der Hintergrund stimmen und nicht zu viel Privatheit vermitteln. Im Übrigen ist es auch offline nicht egal, wie man sitzt und in welchem Umfeld (Stichwort aufgeräumter Arbeitsplatz). Es sollte keine Tür im Hintergrund zu sehen sein, und auch die Kinder sollten nach Möglichkeit nicht hereinkommen. Wenn man sich an gewisse Formalitäten hält, wie sie auch im Firmenbüro gelten, vermittelt das allen Beteiligten ein sicheres Gefühl.
Innere Haltung. Ich erlebe immer wieder Menschen, die mir sagen, ich will mich nicht „verkaufen“ müssen. Für mich gehört eine gewisse Präsenz aber unbedingt dazu, wenn ich andere von meiner Leistung überzeugen will. Und diese Präsenz kann man auch per Video erreichen. Entscheiden Sie sich dafür, sich und Ihre Leistung sichtbar zu machen – Ihr Gegenüber hat sonst kaum eine Chance, Sie wahrzunehmen.